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Chivay

Dachte ich Arequipa war kalt? Dachte ich Deutschland wäre kalt? Ach wie ahnungslos ich doch gewesen bin. Hier fehlt mir nur noch der Weihnachtsmarkt. Und selbst den gibt's hier scheinbar.

Indios in Pelzmänteln

Rund drei Stunden dauert die Fahrt nach Chivay, einem kleinen Nest irgendwo im Niemandsland. Es geht über Höhen, durch Senken, vorbei an einigen einsamen Lamas und Schafen. Es ist nicht ganz leicht zu verstehen, weshalb sich in einer solchen Gegend überhaupt Menschen niedergelassen haben. Vermutlich haben sich vor ein paar hundert Jahren einige Pioniere einmal in die romantische Kulisse verliebt. Vielleicht war die Gegend aber auch Zufluchtsort für die vor den Konquistadoren fliehenden Einheimischen. An einem so abgelegenen Ort war es unwahrscheinlich, dass sie mit den Spaniern rechnen mussten. Chivay ist eine der wenigen Gegenden, in denen noch viele Indigenas leben. Nicht jeder hier spricht überhaupt spanisch.

Die Kleidung der Menschen hier erstaunt mich. Ein guter Teil der Leute ist zwar zumindest tagsüber so gekleidet, wie man es aus den anderen Teilen des Landes kennt. Daneben sind aber vor allem viele Frauen traditionell gekleidet. In den kälteren Abendstunden sieht man dann zahlreiche bunt eingemümmelte Einheimische. Nur die jüngeren Leute sind eher modern gekleidet.

Ich komme mit einem etwa Gleichaltrigen ins Gespräch. David heißt er und läd mich zum Essen zu einer lokalen Spezialität ein. Es ist eine Kartoffelsuppe, die mir selbst ziemlich gut schmeckt. Er selbst verzieht dabei aber den Mund und ist scheinbar nicht so zufrieden. Danach gehen wir noch ein bisschen durch die Straßen und er möchte mir ein einheimisches Getränk zeigen. Oder vielmehr eines von vielen. Das Ganze entpuppt sich als süßer Kräutertrank, wobei Kräutertrank wörtlich zu nehmen ist. Man mus schon aufpassen, dass man das Grünzeug nicht mit runterschluckt. Geschmacklich indes das reinste Abenteuer und unbedingt zu empfehlen. Das Getränk verursacht keine Halluzinationen und auch von Nebenwirkungen ist mir nichts bekannt. Wer einmal dort ist, wird die Stände gar nicht übersehen können.

In Arequipa hatte ich ja nun erfahren, dass nicht alles warm ist, was den ganzen Tag von der Sonne angestrahlt wird. Hier sollte es aber noch besser kommen. Dazu muss man wissen, dass die Temparaturen über die Tageszeit extrem schwanken. Während es in der Mittagszeit warm genug ist um im T-Shirt herumzulaufen, so sinken die Temperaturen nachts bis unter den Gefrierpunkt. Der Effekt ist auch saisonal geprägt. Die Gegend liegt schon relativ deutlich unterhalb des Äquators, weshalb sich die Jahreszeiten einigermaßen bemerkbar machen. David erklärt mir, dass ich gerade noch rechtzeitig vor der Kältezeit gekommen bin. Ab Juli wird es für ein paar Wochen so kalt, dass die Bäche jede Nacht einfrieren und tagsüber wieder auftauen.

So schlimm ist es jetzt noch nicht, allerdings bin ich froh über den Vorrat an Decken in der Unterkunft. Es versteht sich von selbst, dass an einem Ort an dem die Türen nicht einmal annähernd den Boden berühren, Isolierung nicht einmal im Ansatz existiert. Und so wird es auch im Zimmer selbst so kalt, dass man schleunigst das warme Bett aufsuchen muss. Wenigstens ist es darinnen windstill.

Die Schlucht ruft

Einen Besuch in Chivay macht man normalerweise nicht wegen Chivays. Obwohl ich gestehen muss, dass mich die Abgeschiedenheit doch sehr gereizt hat. Wie auch bei späteren Anlässen ist mir immer wieder aufgefallen, dass diese Orte etwas besonderes haben. Vermutlich ist es einfach das Gefühl, in ein anderes Zeitalter zurückversetzt worden zu sein. Trotzdem ist auch mein Grund eigentlich ein anderer, nämlich der Besuch des Cañon del Colca.

Der Cañon del Colca gilt als der zweittiefster Cañon der Welt. Nur der Yarlung Zangbo Canyon ist tiefer. Allerdings ist das Canyon-System nicht so groß wie viele Canyons im Himalaya oder der Grand Canyon. Durch die extrem steilen Schluchten ist es nicht einfach einen Punkt zu finden, bei dem man das Flussbett überhaupt sehen kann. Mir ist es zwar gelungen so einen Punkt zu finden. Jedoch war das Flussbild an der Stelle nicht so sehr beeindruckend. Ein Blick für das ganze Außmas der Schlucht ist mir leider verwehrt geblieben.

Wer den Cañon in den Morgenstunden aufsucht, der hat gute Chancen den Kondor beobachten zu können. Als Verwandter der Geier ist er in seiner näheren Erscheinung nicht so majestätisch wie ein Steinadler. Er entwickelt jedoch eine bemerkenswerte Flügelspannweite von bis zu 3 Metern. In der morgentlichen Thermik im Cañon gleitet er beeindruckend edel über die Büsche. Aber nicht jeder Besucher kann den Anblick genießen. Einige Touristen haben scheinbar Probleme mit der Höhenluft und freuen sich schon darüber, wenn sie mal ohne Übelkeit auf zwei Beinen stehen können.

Im Gegensatz zu anderen Touristen, unternehme ich keine Tour in das Innere des Canyons. Vielleicht war das ein Fehler, denn sonst hätte ich wohl auch einmal die Gelegenheit gehabt, den Canyon aus mehreren Blickwinkeln zu sehen und auch hinabzusteigen. Mir fehlt jedoch die Zeit um eine längere Tour zu machen, denn ich bin ja spontan nach Peru gekommen. Ein bisschen bedauere ich, dass ich hier nur einen Kurztrip gemacht habe. Aber es ist ja noch nicht aller Tage Abend, vielleicht komme ich noch einmal zurück.

Ein Bad mit Fliesen Felsen

Wer kennt nicht diese Sehnsucht nach einer heißen Badewanne an kalten Wintertagen? Das haben sich die Indigenas scheinbar auch gedacht und sich eine wunderschöne und durchaus moderne Therme gebaut. Sie liegt etwa 20 Minuten zu Fuß von der Stadt mitten in der Schlucht (nicht Colca Cañon). Allerdings haben die einheimischen Stammgäste eine Fahrgemeinschaft gebildet, der ich mich anschließen kann.

Bei so einem Bad im Sonnenbad mit den Felsen ringsherum fehlt nichts mehr. Da ich relativ spät komme, genieße ich lieber die ganze Zeit im Wasser, so lange noch Sonne da ist und verzichte erstmal auf Fotos. Erst als die Sonne hinter dem roten Stein verschwindet, mache ich ein paar Bilder um die Eindrücke mitzunehmen. Die Therme bietet mehre Becken, die sich durch ihre Wassertemparatur unterscheiden. Außerdem sind einige unter freiem Himmel, während andere überdacht oder sogar in Häusern platziert sind. Allerdings ist selbst die schönste Therme nicht für jeden ein Genuss. Der extreme Temparaturunterschied (vor allem wenn die Sonne weg ist) beschert scheinbar einigen sowieso unter dem Höhenklima leidenden Besuchern größere Kreislaufprobleme.

Auch mein Körper und Kreislauf bemerkt deutlich den Unterschied zwischen innerhalb und außerhalb des Wassers. Allerdings empfinde ich das eher als angenehm und erfrischend. Nach dieser und einigen späteren Thermen-Erfahrungen weiß ich mit Sicherheit, dass sie auch in Zukunft auf dem Programm stehen werden.

Genau wie der Tag, so neigt sich auch die Zeit in Chivay ihrem Ende. Drei Tage verbrachte ich hier an diesem kleinen und herzlichen Flecken Perus. Nun geht es zurück nach Arequipa und von dort aus direkt in Richtung Wassergrenze zu Bolivien, dem Lago Titicaca. Noch ist die Zeit der kakteenbesidelten und staubigen Weiten nicht vorüber.

Nicht uncool die Herberge. Mein Zimmer ist allerdings rechts im Bild. Das Zentrum Chivays, zu jedem Zeitpunkt entspannend ruhig. David kommt aus Chivay und zeigt mir Spezialitäten der Region. Der Cañon del Colca, die zweittiefste Schlucht der Welt. Die Therme bei Chivay, urromantisch und unvergesslich. Im Schatten der Felsen wird es schnell frisch. Das tut dem Augenblick keinen Abbruch.
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