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Pisco

Schlicht, einsam, schön. Wo Wüste ist, da spielt der Wind sein Lied. Und das Meer. Ein Ort um sich frei von Reizen des Alltags zu machen. Ein Ort eher zum Träumen als zum Leben.

Wie bei Hempels

Die Einfahrt nach Pisco erweist sich als recht kurios. An einer Wüstenpiste hält der Bus am Straßenrand an und schmeißt die nach Pisco Reisenden raus. Dort warten ein paar Autos, freischaffende Taxifahrer, die die Leute in die Kleinstadt bringen. In Lima hatte man mir zum Glück schon ungefähr geschildert, wie es hier aussehen würde.

Der Ersteindruck war dann aber doch nicht so sehr schlimm. Zwar fühlte sich das Flair eher an wie in einer Stadt im Balkan, aber so eine Abwechslung wirkte hier sogar auf eine bizarre Art wohltuend. Ganz sicher hätten sich die rund 50.000 Einwohner der Stadt diese Form von Abwechslung aber lieber gespart. 2007 wurde Pisco von einem schweren Erdbeben der Stärke 8 heimgesucht, bei dem rund 85% der Häuser einstürzten. Darunter auch die große Kirche im Zentrum, von der angeblich nur zwei Steinsäulen übrig blieben. Mittlerweile ist diese durch ein erdbebenfestes Kirchhaus ersetzt worden. Bei dem Erdbeben kamen weit über 100 Menschen ums Leben und natürlich ist jede Familie in der Stadt in irgendeiner Form davon betroffen gewesen. Dieser besondere Umstand macht sich auch ständig bemerkbar. Denn auch nach zwei Jahren prägt die Katastrophe den Alltag der Stadt in außergewöhnlicher Weise. Es ist häufiges Gesprächsthema, nicht zuletzt weil die meisten Familien noch immer in Zelten leben müssen. Dennoch wirkt das Leben hier genauso gelassen wie in den anderen Städten des Landes. Die (meisten) Menschen wirken gutmütig und nicht verbittert.

Anlass meiner Reise hierher war allerdings gar nicht die Stadt selbst, als vielmehr der nahegelegene Wüsten-Nationalpark Paracas. Ohne diesen Park wäre ich zweifellos der einzige Tourist in der Stadt gewesen. So gab es doch noch zwei Hände voll mehr, die sich die Tour ebenfalls nicht entgehen lassen wollten. Übrigens sind die Unterkunftsmöglichkeiten wirklich nicht schlecht, sodass ich Pisco trotz der schwierigen Situation durchaus als Anlaufstelle empfehlen kann.

Tierbabies wie süß! Oooooo, Aaaaaa!

Zum ersten Mal nehme ich an einer organisierten Tour für Touristen teil. Mit dem Jeep fahren wir erst bis ganz an die Küste, denn Pisco selbst ist nach meinem Urteilsvermögen keine Hafenstadt. Dort werden wir an einem kleinen Hafen für Touristenboote abgeladen. Sofort häufen sich zumindest etwas schickere Restaurants und Andenken-Läden. Die Show beginnt schon vor der Abfahrt. Einige Pelikane sind an den Strand gekommen und offensichtlich sehr erpicht darauf, etwas Essbares zu ergattern. Ein Einwohner nimmt ein paar Fische zur Hand und wirft einen nach dem anderen hoch in die Luft. Sofort entbrennt ein Luftkampf um die Mahlzeit. Und die Pelikane sind geschickt, sodass kein einziger Fisch auch nur in die Nähe des Bodens kommt.

Zügig geht es dann auf eines der Boote. Ich weiß noch gar nicht so genau was als nächstes passieren wird. Allerdings weiß ich, dass mir eine Kopfbedeckung fehlt und die Sonne gnadenlos auf uns niederbrennt. Der Sonnenbrand ist schon vorprogrammiert, hoffentlich nicht auch ein Sonnenstich. Für die nächste Tour habe ich hier wirklich etwas gelernt. Bei der Betrachtung mancher Touristen könnte man allerdings auch meinen man wäre in einem US-Amerikanischen Nationalpark. Zumindest sind meiner Beobachtung nach die deutschen Touristen weit weniger peinlich für ihre Landsleute als die des erwählten Volkes aus Nordamerika.

Wir fahren bestimmt eine Viertelstunde, geradeaus, bevor das Ziel überhaupt in Blickweite rückt. Auf der linken Seite lassen wir den berühmten Candelabro de Paracas (Kronleuchter von Paracas), einer immensen Felsenzeichnung unbekannter Herkunft. Das Zeichen befand sich bereits dort als die Vorfahren der heutigen Einwohner dort eintrafen. Es wird vermutet, dass es den Ureinwohnern zur Navigation diente. Sie erinnern stark an die nicht zu weit entlegenen Nasca-Linien. Archäologen nach ist das Bildnis angeblich jedoch bedeutend jünger. Die vielen vagen Aussagen, scheinbar ohne jede wissenschaftliche Grundlage lassen die Zeichnung - ähnlich wie den Machu Picchu - geradezu legendär erscheinen. Die Fremdenführer bemühen sich um die wildesten Erklärungen. Bei genauerem Nachfragen zeigt sich (egal ob hier in Peru, in Ecuador oder Kolumbien) aber immer wieder das Gleiche: Eigentlich hat man keine Ahnung (und nicht einmal stichhaltige Vermutungen) wann, wie und warum die Stätten entstanden sind. Es ist auch gar nicht so wichtig, denn die meisten Touris sind mit schönen Geschichten schon schnell rundum zufrieden.

Nun rücken einige Felsen in Sehweite und große Schwärme von Vögeln werden am Himmel sichtbar. Je näher wir den Felsen rücken, desto größer wird der von den Tieren ausgehende Krach. Schon an Land waren Tiere in der Wüstenumgebung eher eine Kuriosität. Hier auf dem Wasser finden sie scheinbar mehr Nahrung und sie haben sich ein kleines, isoliertes Reich eingerichtet. Die Inseln heißen Islas Ballestas, woher dieser Name stammt ist mir rätselhaft. Auf ihnen tummeln sich Pinguine, Seehunde und Pelikane und viele ander Vögel. Allerdings haben die Gattungen meistens alle ihre eigenen Felsen. Nur die Seehunde verteilen sich überall hin, wie es ihnen beliebt.

Selbstverständlich entwickelt eine solche Lebensgemeinschaft ihr ganz eigenes Aroma. Für den einen oder anderen Reisenden ist das offenbar gewöhnungsbedürftig. Wer jedoch hergekommen ist um sich von der Natur und ihrer Perfektion verführen zu lassen, der wird sich kaum daran stören. Immerhin gehört das Eine untrennbar zum Anderen dazu. Wir hätten Stunden damit verbringen können, dem aufgeregten Treiben zuzusehen. Leider fehlte uns dafür die Zeit, denn es sollte ja noch in einen anderen Park gehen. Also steuern die Boote nach einige Zeit wieder auf Richtung Festland zu.

Dann geht ein Raunen durch die Menge. Delfine! Was schon die Kinder fasziniert hört bei den Erwachsenen längst nicht auf. Sofort haben die kleinen Racker die ganze Gruppe in ihren Bann gezogen. Dabei sieht man gar nicht so viel von ihnen, so schnell sind sie. Es mutet so an, als würden sie ihre Show geradezu genießen. Leider wollen sie nicht stillhalten, sodass eine Großaufnahme überhaupt nicht möglich ist. Aber die Erkenntnis, dass sich große Momente nicht in Bildern festhalten lassen, hat wohl jeder Reisende. Es sind Dokumente, die Erinnerungen auslösen können. Aber das Gefühl des Augenblickes ist einmalig. Schön für den, der das akzeptieren kann. Mir fällt es oft sehr schwierig.

Unterm Strich war die Tour glaube ich die beste, die ich in Peru mitgemacht habe. Natürlich sind die Islas Ballestas nicht die Islas Galapagos. Dafür ist das Revier der Tiere auch längst nicht so zerstört wie es auf Galapagos der Fall ist. Allerdings haben Fischerei und industrielle Meeresverschmutzung auch hier einige Tierbestände existenzbedrohend reduziert. Zum Beispiel den der Delfine. Leider kann man weder damit rechnen, dass hier politische Maßnahmen getroffen werden, noch dass menschliche Vernunft dem Treiben ein Ende setzt. Es ist eine traurige Ohnmacht, die hier zutage tritt. Auch sie gehört dazu.

Dust in the wind

Insgesamt umfasst das Nationalreservat 335.000 Hektar. Soweit ich weiß, ist es der einzige Wüstennationalpark Perus. Auch hier geht es natürlich um Tiere, aber auch um die terrestrische Beschaffenheit. Daher kann man, anders als in den meisten Nationalparks, auch nicht durch das Ausbleiben erhoffter Tiere enttäuscht werden. Es ist unglaublich, welche Faszination von nichts weniger als einer Masse an Sand ausgehen kann.

Mit einem Bus fahren wir auf das Wüstengelände. Der Sand ist eher felsig, weshalb die Straße nicht regelmäßig komplett zugeweht wird. Es fühlt sich hier beinahe an wie bei einer Odyssee. Die Luft flimmert, es liegt ein Dunst über dem Boden und weit und breit nichts außer Sand und Meer. Ein atemberaubender Anblick der großen Einsamkeit. Es ist schwierig diese Szenerie zu beschreiben. Man muss es selbst gesehen haben.

Die angedeutete Verseuchung und Rücksichtslosigkeit gegenüber der Umwelt war möglicherweise eine zu einseitige Darstellung der Dinge. Nur dem Schein nach haben Geschäft und das Geld des Tourismus immer Vorrang vor Naturschutz. Es gibt viele eiserne Indios, die kein Verständnis für den Kommerz haben. Auch die vielen Hinweistafeln zeigen, dass es durchaus Eingeborene gibt, denen die Erhaltung ihrer Heimat ein Anliegen ist. Die traurige Wahrheit ist aber auch, dass die Mehrheit unter ihnen keinen Sinn für diese Themen hat. Eigentlich genau wie bei uns, nur dass wir bessere Systeme zur Vermeidung und Beseitigung von Umweltschäden haben. Im täglichen Leben siegt aber bei vielen von uns auch die Bequemlichkeit und der Egoismus vor der ökologischen Vernunft.

Nach einer Mittagspause in einer kleinen Bucht geht es irgendwann zurück in Richtung Pisco. Mit einem Nachtbus möchte ich nach Arrequipa kommen. Also esse ich in Pisco noch in Ruhe zu Abend und begebe mich dann wieder in Richtung Piste, wo mich irgend ein Bus aufgabeln wird. Übrigens habe ich hier eine meiner besten Mahlzeiten in ganz Lateinamerika vertilgt. Das Gericht heißt Chicharrón, wobei man aufpassen muss, denn das heißt überall etwas anderes. Hier ist in Limonensaft eingelegtes und anschließend frittiertes Hühnerfleisch gemeint. Eigentlich so etwas ähnliches wie Chicken Nuggets, geschmacklich aber völlig unterschiedlich. Meistens wird mit Chicharrón Schweinefleisch verbunden. Das habe ich auch mal probiert, fand ich aber nicht ganz so gelungen wie die beiden Mahlzeiten in Pisco. Und dann geht's los in Richtung Arrequipa.

Ein bizarres Bild, kein gewöhnlicher Touristenort. Die zentrale Kirche - das wohl mit Abstand modernste Gebäude der Stadt. Jeder esse was er kann, nur nicht seinen Nebenmann. Das canelabro ist eines der ältesten Rätsel der Gegend. Es erinnert an die Nasca-Linien. Der Spaß für die ganze Tierfamilie, wenn man's kuschelig mag. Die ortsansässigen Delfine sind recht scheu vor der Kamera, nicht unsympathisch. Auch die Wüste soll geschützt werden. Chicharron auf peruanisch, also mit Huhn statt mit Schwein. Dazu Limonada, deliziös.
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