zurück zur Übersicht
1: Land
2: Mindo
3: Estero del Platano
4: Schokolade
5: Dorffest
6: Quito
7: Chachis

Estero del Platano

Oh, das ist etwa die Küste von der die Rede war? Wo sind denn die Cocktailbars, die Hängematten und der unendlich lange Strand? Der hier ist ja bloß einen Kilometer lang. Das ist ja alles gar nicht so, wie die es im Fernsehen versprochen haben ...

Ein kleiner Schatz

Tatsächlich hatte ich mir die Küste ein bisschen anders vorgestellt. Man hat wohl irgendwie eine romantischere Vorstellung. Aber diese Vorstellung entspricht nur einer künstlichen Welt, die man vielleicht besser in Miami Beach sucht. Und die natürliche Schönheit hat ihren ganz eigenen Reiz, wie man sehr schnell merkt.

Estero del Platano bedeutet so viel wie "Fluss der Banane". Es gibt aber viele verschiedene Bananensorten und die hier gemeinte ist keineswegs die, die man in Deutschland kennt. Die hier wachsenden Bananen sind deutlich größer, bleiben grün und eignen sich nicht direkt zum Verzehr. Allerdings kann man aus ihnen hervorragend "Chifle" herstellen, was mehr oder weniger Chips gleichkommt.

Das Dorf hat etwa 200 Einwohner und die Familien haben im Durchschnitt 6 Kinder. Der Strom pro Haushalt reicht etwa aus, um einen Kühlschrank oder eine Stereoanlage zu betreiben. Vor allem letztere wird auch ständig genutzt und so ist oft an idyllische Ruhe nicht zu denken. Auch fließend Wasser gibt es, aber nicht in jedem Haushalt. Die meisten Häuser kochen, spülen und waschen mit dem Wasser aus dem Fluss. Auch Kinder und Tiere baden im Fluss. Obwohl es Strom gibt, fehlen Telefonleitungen und somit gibt es nur das Busfahren als Kommunikationsmöglichkeit zur Außenwelt.

Neben einigen wenigen Erwachsenen können nur die Kinder lesen und schreiben. Ein Umstand, den sie aus meiner subjektiven Sicht einzig den Reformen von Rafael Correa verdanken, der die Schulpflicht selbst in entlegensten Gegenden durchgesetzt hat. Wie ich später noch sehen sollte, führt die krasse Abwesenheit von irgendeiner Form von Bildung oft zu den merkwürdigsten Ereignissen. Niemals war oder ist das jedoch als Vorwurf zu verstehen gewesen.

Erstmal planen

Direkt nachdem wir mit dem Bus ankommen, beziehen wir unsere Cabaña in Strandnähe. Leider gibt es keine Wasservorräte und so müssen wir noch mal los. Die Hütte liegt zwischen den Grundstücken zweier Familien. Das Grundstück umfasst zig Hektar, größtenteils nur durch Dschungel bewachsen. Irgendwo dort wollen wir mit dem Projekt beginnen.

Am Abend sind wir dann zu dritt und schmieden Pläne für die nächste Woche. Zunächst einmal schaue ich mir das Grundstück an. Viel Arbeit wurde schon an einem Pfad verrichtet. Der Dschungel ist hier so dicht, dass ohne Machete an ein Fortkommen nicht zu denken ist. Obwohl es den Anschein hat, ist die Machete ist kein einfaches Werkzeug. Ein guter und fester Schwung will erst geübt sein.

Das Wichtigste ist zunächst einmal, eine Unterkunft für das Team zu bauen. Natürlich im Sinne der Permakultur, es soll also nur aus Bambus bestehen und ohne Nägel verarbeitet werden. Danach soll dann ein ganzes Grundstück im Sinne der Permakultur gebaut werden. Für das Haus müssen zunächst Palmblätter geschnitten und danach zwei Wochen getrocknet werden. Das Bambus muss zu einer ganz bestimmten Zeit gefällt werden, da er sonst zu viel Wasser zieht und die Konstruktion dann Insekten anlocken würde. Aber alles nach einander, zunächst einmal benötigen wir das Dach. Deshalb verabreden wir uns für den nächsten Tag mit zwei Indios zum Palmblätterschlagen.

Auf der Maloche

Geplant ist ein großes Haus für insgesamt acht Personen. Dafür braucht man ein großes Dach und entsprechend viele Palmblätter. Natürlich gibt es viele unterschiedliche Palmenarten, selbst hier auf einem einzigen Grundstück. Wir suchen einen bestimmten Typ aus, der pro Baum ca. 8 - 14 Blätter abwirft. Die Blätter sind sehr groß und schwerer als ich dachte. Je nach Größe wiegen sie zwischen 5 und 10 Kilo.

Das größere Problem ist aber die Form. Zur Lagerung müssen alle Blätter an einem Ort gesammelt werden. Also müssen die meterlangen sperrigen Blätter durch das Dickicht zum Lagerplatz getragen werden. So ist es eine schweißtreibende Arbeit bis endlich 250 Blätter gesammelt sind. In ihrer jetzigen Form können die Blätter nicht verwendet werden, denn sie sind zu schwer und zu nass. Das Dach würde sofort anfangen zu schimmeln, sodass sie erst längsseits halbiert und dann zum Trocknen abgelegt werden.

In den nächsten Tagen wollen wir mit den Indios dann das nötig Bambus schlagen. Leider kommt es nicht dazu, denn es gibt Uneinigkeit darüber wo die Unterkunft errichtet werden soll. Im Team sind wir uns einig, aber die Einheimischen sind mit dem Vorschlag nicht einverstanden. Da weder wir sie zum Einlenken noch sie uns zum Arbeiten zwingen können, kommt es unerwartet zu einem Arbeitsstopp.

Milton versucht vermittelnd zu wirken, aber sie lassen sich nicht umstimmen. In der Folge stehen wir vor der Entscheidung auf ihren alternativen Standort zu wechseln oder ein anderes Grundstück zu suchen. Die merkwürdige Art unserer Gastgeber veranlasst uns dazu, uns augenblicklich nach anderen Grundstücken umzusehen. Es ist kurios, dass aus fadenscheinigsten Motiven kostenlose Arbeitskraft abgelehnt wird. Für mich ist dies eine neue Erfahrung und bis heute kann ich die Sturheit unserer Gastgeber nicht verstehen. Aber das lernt jeder, der sich auf Land und Leute einlässt. Obwohl auch die Einheimischen nach materiellem Reichtum streben ist Stolz oftmals ein wichtigerer Faktor bei einer Entscheidung als ökonomische Verbesserung. Rational lässt sich das nicht erklären und so bleibt es für die meisten Besucher ein Rätsel.

Ein Neuanfang

Unsere alten Gastgeber sind weiterhin uneinsichtig und auch wir können uns nicht mit ihrem Vorschlag anfreunden. Jedoch treffen wir schon am nächsten Tag bei einem Erkundungsspaziergang einen Mann auf seinem Maisfeld. Wie alle hier spricht er ein sehr komisches Spanisch und ich verstehe kein Wort. Ich erkunde daher die Gegend weiter, während sie sich unterhalten. Das Feld liegt auf einer ca. 100 Meter breiten Hügelkette, die zu beiden Seiten etwa 60 Meter tief abfällt. Zur einen Seite liegt das Meer und zur anderen seine Hütte, die man von oben allerdings nicht sehen kann.

Das Gelände ist perfekt geeignet für unser Vorhaben und es stellt sich heraus, dass wir in Don Dima einen dankbareren Gastgeber finden. Im Gegesatz zu den anderen Dorfbewohnern wohnt er ganz alleine und freut sich über Besuch. Wir erklären ganz offen unsere Absichten und offensichtlich freut es ihn, dass sein Grundstück jemandem einen Nutzen bringen kann. Gerade einmal eine Woche bin ich in Ecuador und schon bin ich zwei mal umgezogen. Auch in der neuen Hütte leben wir unter einfachsten Bedingungen.

Allerings ist die Lage für das Projekt schwieriger als zuvor, denn alle Materialien müssen wir nun über 60 Meter Höhe transportieren. Für mehr oder weniger 300 Stämme Bambus sehen wir somit schon eine Menge Transportarbeit auf uns zukommen.

Bevor wir jedoch mit unserem eigenen Projekt weitermachen, helfen wir erst einmal Don Dima beim Fertigstellen seiner Lagerhütte. Genau wie für die andere Hütte sammeln wir dazu einen Tag lang nur Palmenblätter ein. Hilfe bekommen wir von einem kolumbianischen Flüchtling, der hier einfach nur "Colombia" genannt wird.

Zweifel über Zweifel

Die Zeit vergeht und ich frage mich immer öfter wieso es nur so langsam voran geht. Jeden Tag geschehen unvorhergesehene Dinge. Man kann sich auf schlichtweg gar nichts verlassen. Ich spielte schon mit dem Gedanken einfach auszusteigen, aber so einfach möchte ich es mir doch nicht machen. Irgendwie muss man sich schon auf die Menschen einlassen, wie kann man das Reisen sonst erleben? Ich will nicht einfach nur beobachten, ich will ein Teil davon sein. Aber dann muss man gewisse Dinge einfach lernen hinzunehmen.

So geht es Tag um Tag. Etwas über zwei Wochen habe ich schon keinen Kontakt mehr nach Hause gehabt. Ich hoffe sie machen sich keine Sorgen, ich hatte versprochen mich nach vier Tagen zu melden. Aber dann bin ich krank geworden und konnte mich eine Woche überhaupt nicht mehr wegbewegen. In der Gegend wäre es auch hoffnungslos gewesen einen Arzt aufzusuchen. Was hätte ich ihm auch sagen sollen? Ich glaube ich hätte jedem Medizinmann mehr getraut.

Immerhin konnte ich die Zeit dann besser nutzen um mein Spanisch zu verbessern. Tatsächlich habe ich innerhalb einer Woche alle 12 Zeitformen gelernt, zumindest in der Theorie. Bei der einen oder andern Form stockte es noch etwas, aber es ging schon besser als vorher. Trotzdem wurde meine Erwartung enttäuscht, hier besonders gut Spanisch lernen zu können. Obwohl ich so viel Zeit mit den Indios verbrachte, lernte ich nur begrenzt viel. Ihre Aussprache ist so komisch, dass man selbst mit gutem Willen kaum eine Chance hat.

Nun bin ich drei Wochen im Projekt und es gibt kaum nennenswerte Fortschritte. Es wird Zeit zu einer Entscheidung zu kommen. Der Ort ist einfach traumhaft. Strand und Meer sind nur fünf Fußminuten entfernt. Im Wasser gibt es keine Tiere und man kann in den Wellen gleiten. Andererseits ist der geringe Erfolg bei der Arbeit frustrierend. Vielleicht wäre es wirklich besser, die Sachen zu packen und zu reisen ...

Wo die Welt noch in Ordnung ist: Die Kinder beim Volleyball. (Zu) viel Ehrgeiz: Der Plan für die Cabaña. Durchgeschwitzt bis aufs Hemd: Maloche im Urlaub. Unser freundlicher Gastgeber Don Dima.
zurück zur Übersicht
1: Land
2: Mindo
3: Estero del Platano
4: Schokolade
5: Dorffest
6: Quito
7: Chachis