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Lilaner KuKluxKlan

Welch reizende Kostüme, die kommen mir bekannt vor. Hoffentlich werde ich nicht gleich aufgeknüpft. Aber es sieht gut für mich aus, die Jungs sind schwer mit sich selbst beschäftigt.

Tour de Quito

Es ist Ostersonntag 2009. Zu zweit haben wir uns aus dem Projekt auf den Weg gemacht um an dem denkwürdigen Tag in Quito die berühmten Feierlichkeiten mitzuerleben. Um kurz vor 10 Uhr haben wir uns auf dem großen Platz vor der großen Kirche San Francisco eingefunden. Der Platz ist bereits völlig überfüllt von Menschen, die dem Spektakel beiwohnen wollen. Die Szene erinnert an einen (der schlechteren) Bondfilme, in dem eine öffentliche Beerdigung gezeigt wird.

In der Masse entdecken wir einen Heilsprediger. Eine große Menge hat sich schon um ihn versammelt und hört was er zu berichten weiß. Leider verstehe ich kein Wort. Zwar spricht der Mann laut genug, jedoch mit einem so merkwürdigen Dialekt, dass mir die Worte des Herrn verwehrt bleiben. Trotzdem bleibt der Auftritt nicht ohne Eindruck auf mich.

Um erst den Sinn unseres Besuchs zu verstehen, muss man wohl einige Worte über die ecuadorianische Religion verlieren. Ecuador ist ein sehr christlich geprägtes Land. Wie in Kolumbien bekennen sich auch hier rund 90% zum katholischen Glauben. Katholisch ist hier jedoch relativ zu sehen. Die Wenigsten wissen wer oder was der Papst ist. Jedoch ist dieser Form des Glaubens mit dem katholischen in Europa gemein, dass viel Wert auf Rituale gelegt wird. Ein solches Ritual feiern die Quiteños hier immer um Ostern. Die Osterwoche ist für sie die wichtigste Woche im Christentum. Dabei bilden Karfreitag und der Ostersonntag die Höhepunkte der Feierlichkeiten. Dies ist auch der Grund für unseren Besuch, denn am Ostersonntag soll eine "große Prozession" stattfinden. Was das bedeuten werden wir noch sehen.

Kurz nach 10 Uhr öffnen sich dann die Tore des großen Kirchgewölbes. Die Kirche des San Francisco ist nur eine von mehreren beeindruckenden "Kirchen" in Quito. Dann drängen die ersten Leute unter den großen Torbögen hervor. Es sind jene, die die Prozession anführen. Sie alle sind von oben bis unten in einfarbige Kostüme gekleidet. Der Kopf ist durch einen Spitzhut verkleidet und erinnert tatsächlich stark an die Einkleidung des KuKluxKlans in den Südstaaten. Die häufigste Farbe dabei ist eindeutig lila. Im Christentum beschreibt diese Farbe Advents- und Fastenzeit. Vermutlich soll sie die Buße zum Ausdruck bringen. Einige Wenige tragen auch schwarze oder braune Kutten.

Zu den einfachen "Mönchen" gesellen sich die Bußetuer. Viele tragen eine Holzfessel für die Hände auf der Schulter. Andere peitschen sich selbst mit dornigen Rosensträußen den Rücken blutig. Und wieder andere tragen übergroße Kreuze auf dem Rücken, die sie unmöglich die ganze Strecke über aushalten können. Mehr und mehr Menschen strömen aus der Kirche, die Kette reißt nicht ab. Ich schätze die Prozession etwa auf 10.000 Pilgerer und noch weit mehr Einwohner und Touristen, die dem Ereignis beiwohnen.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde erreicht uns das Ende der Prozession, das durch zwei besondere Wagen gebildet wird. Auf dem einen wird ein Bildnis der Mutter Maria und auf dem anderen eines von Jesus transportiert. Die Wagen sind prachtvoll mit Blumen geschmückt und ein jeder, an dem sie vorbeiziehen hat es eilig sich in Ehrfurcht zu bekreuzigen. Dann schließt sich die Gasse hinter dem Zug mit Mitpilgerern.

Der Marsch erstreckt sich in einem Kreis über 14 Kirchen Quitos, bis er wieder dort ankommt, wo er begonnen hat. Nicht alle schaffen den Marsch. Vor allem unter den Kreuzträgern - niemand schafft das wirklich allein, alle haben Helfer - finden sich einige bis an die Grenze erschöpfte Gläubige.

Kurze Bekanntschaften

Entspannt sitzen wir auf den steinigen Treppen am Platz und warten auf die Wiederkunft der Prozession. Dabei komme ich mit ein paar Quiteños ins Gespräch. Die Kinder sind fasziniert von der Kamera. Hier ist es allerdings - anders als in Estero del Platano -so, dass jeder weiß was eine Kamera ist und so etwas nicht zum ersten mal sieht. Aber natürlich kann sich kaum jemand auch selbst eine leisten und so verwundert es nicht, was für eine Freude so ein Gerät hervorrufen kann.

Wie auch an vielen anderen Stellen habe ich die Einfachheit des Kennenlernens von Menschen erlebt. Es genügen schon einige Augenblicke und man ist im Gespräch. Die Sache wird hier natürlich auch durch die Neugierde der Einwohner enorm erleichtert. Während die Männer sich oft in Zurückhaltung üben sind vor allem die Frauen in ihrer durchaus sympathischen Neugierde unübertroffen. Und natürlich die Kinder, die keinerlei körperlichen Kontakt scheuen und einen schon nach drei Minuten zur Familie zählen. Nicht selten ist das den Eltern so peinlich, dass sie die Kinder dann bei sich halten. Wer ihnen aber versichert, dass die Kinder ihn in keiner Weise stören, der zaubert sich nicht nur bei den Eltern ein Lächeln ins Gesicht, sondern auch den erstbesten Muchacho auf den Schoß. So könnte ein entspannter und interessanter Nachmittag folgen.

Allerdings werden wir dann vom Quito-Wetter ereilt. Das Wetter in und um Quito ist in der Tat als Phänomen zu bezeichnen. In der Stadt selbst ist es oft so, dass sich morgens ein grauer Nebelschleier über der Stadt bildet, der innerhalb von 20 Minuten verschwindet. Dann scheint bis zum Mittag oder frühen Nachmittag die Sonne, bis sich schließlich Wolken an der Vulkankette entlangschieben. Nicht selten endet das in einem regelrechten nachmittaglichen Ausguss über der Stadt.

So ist es auch heute. Gehetzt laufen die Leute durcheinander um irgendwo einen Unterschlupf zu finden. In den dureinanderdrängenden Massen sehe ich noch einmal eines der bekannten Gesichter. Wild gestikulierend wird er mit der Menge weggetragen und wir verlieren uns aus den Augen. Genau der richtige Zeitpunkt für ein Mittagessen. Die Wiederkehr der Prozession warte ich nicht mehr ab.

Let me entertain you

Immer für eine Überraschung gut, so kommt mir die Hauptstadt vor. Ich gehe durch eine kleine Seitenstraße, als ich an einem Gebäudeeingang vorbeikomme aus dem ein höllischer Lärm dringt. Musik und Gesang drängen bis auf die Straße. Ich werfe einen Blick hinein und habe einen Blick auf einen Innenhof und viele Menschen. Wo viele Menschen sind, da kannes nicht zu privat zugehen und so trete auch ich durch den Eingang um Augenzeuge des Spektakels zu werden.

In einem kleinen Innenhof hat sich eine Tanzgruppe eingefunden und erfreut das Publikum. Ich kann weder sagen was für eine Art von Veranstaltung noch was für eine Art von Tanz hier stattfindet. Die Kostüme lassen aber auf einen traditionellen Tanz schließen. Es scheint als würde eine Geschichte erzählt, von der wenigstens ich kein Wort verstehe. Das liegt nicht nur an dem Lärm, sondern auch an der Sprache. Denn hier wird Quechua gesungen, eine Variante der Inka-Sprache, die noch heute in vielen Teilen der Anden verbeitet ist.

Auch die Kirche hat es verstanden die Gottesdienste attraktiv zu halten. Andächtig betrete ich die Kirche Santo Domingo. Durch die Kirchenschiffe schwingt eine mir bekannte Melodie, aber ich komme nicht darauf was es ist. Obwohl gerade eine Messe abgehalten wird, gibt es einen anhaltenden Strom von eintretenden und austretenden Menschen. Dabei handelt es sich keineswegs um Touristen, sondern um Teilzeitbesucher der Messe. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass ich der einzige Tourist im ganzen Gewölbe bin. Immer noch diese Melodie, was ist das nur?

Dieser Kirchbesuch kommt mir sehr stellvertretend für den Eindruck vor, den ich ansonsten vom Kirchleben der Lateinamerikaner hatte. Selbst zu Nebenzeiten ist das Haus Gottes brechend voll. Dann irgendwann erkenne ich die Melodie. Es ist "Sound of Silence" von Simon & Garfunkel. Natürlich umgetextet, denn englische Wörter haben in der spanischen Sprache nicht im Traum so viel Platz wie in der deutschen. Überhaupt darf man bezweifeln, dass auch nur eine Minderheit der Anwesenden überhaupt weiß, wer Simon & Garfunkel sind.

Kurz darauf bekomme ich noch eine ganz andere Form der Unterhaltung zu sehen. Wer wirklich stand-up comedy sehen möchte, der sollte sich regelmäßig bei der plaza grande in Quito aufhalten. Sicherlich gibt es das auch an vielen anderen Orten in Südamerika, aber nur hier habe ich an zwei Tagen hintereinander solche selbsternannten Entertainer am gleichen Platz gesehen. Ein anderer Platz dafür ist die plaza vor dem alten Theater in der Straße Guayaquil.

Die Sache beginnt so, dass der Künstler seine Sachen in die Mitte legt und einfach sein Programm startet. Zu Beginn hat er natürlich noch keine Zuhörer, aber jeder weiß was jetzt passiert und so findet sich schnell eine ganze Masse, die sich auf Treppen niederlässt oder sich einfach dazustellt. Auf diese Weise hat der Clown oder Zauberer innerhalb kürzester Zeit eine Hunderschaft von Augen auf sich gelenkt. Bei diesem Zirkus wechseln sich Witze, Kunststücke und interaktive Szenen mit dem Publikum ab. Schließlich sagt er eine Art Gedicht auf und bittet auf urkomisch Weise um sein Honorar. Die Sache scheint sich zu lohnen, denn die Quiteños lassen sich bei dieser Vorstellung nicht lumpen und so füllt sich unter dem Getöse der Zuschauer der Sammelhut.

Die schönen Stunden in Quito neigen sich dem Ende. Mehr und mehr bin ich mir sicher, dass ich wieder reisen möchte. Der hier gewonnene Eindruck hat mich geradezu reisehungrig gemacht. Im Kopf ist die Sache schon abgemacht. Das erste Mal seit Monaten stellen wir uns dann einen Wecker, denn wir wollen bei Tagesanbruch schon das Haus in Richtung Busbahnhof verlassen haben.

Die Quiteños sind feurige Christen. Mehr kann ich noch nicht sagen. Man kann denken was man will, aber hier gibt es Leute, die wirklich büßen wollen. Ein denkwürdiger Augenblick, indem das Bildnis der Maria vorbeigetragen wird. Offen, warmherzig, schon nach fünf Minuten ins Herz geschlossen. Nur durch Zufall sah ich dies prächtige Farbenspiel. Hochbetrieb in der Kirche zu Santo Domingo in Quito. Freiwillige gesucht: Wer will noch mal, wer hat noch nicht?. Der Lichterteppich, der sich nach Norden und Süden erstreckt ist Atemberaubend. Genau wie der tägliche Morgennebel über der Hauptstadt.
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