Bitte schnallen Sie sich an!
Die Luft flimmert auf der Startbahn in New York. Und ... huch, ist das normal, dass schwarzer Rauch aus dem Triebwerk strömt?
Ein Freund, ein guter Freund ...
Eins ist sicher: Wenn man aus dem Flughafen eines Landes auf einem fremden Kontinent kommt, dann gibt es nichts schöneres als einen Bekannten, der einen abholt. Unglücklicherweise konnte ich mich auf Anhieb an keine Bekannten und Verwandten in Kolumbien erinnern. Guter Hoffnung schlug ich mal das Adressbuch auf, um nach Kontakten in Kolumbien zu suchen. Ich meine: Hat man ja. Zu meiner Bestürzung musste ich feststellen, dass jemand die Kontakte aus meinem Adressbuch getilgt haben musste. Also? Eine Woche vor Abfahrt erzählte ich einem Kollegen am Lehrstuhl von meiner Reiseabsicht. Eben dieser, vielbeschäftigt mit internationalen Verbindungsprogrammen für Studenten, konnte spontan aus dem Vollen schöpfen und mir eine Emailadresse einer Kolumbianerin mitgeben. Glück im Unglück eben.
Bei diesem Kontakt handelte es sich um Martha. Martha kommt zwar aus Bogotá, arbeitet aber im Moment in Prag. Bei unserem ersten Kontakt merkte ich schon, dass ich mein Spanisch vergessen konnte. Zugegeben: Ich habe es mal in der Schule gelernt und hatte es sogar im Abi, davon hat Martha aber nichts gemerkt. Also ging es auf Englisch und tatsächlich hat sie mir zugesichert, dass ihre Schwester mich am Flughafen abholen würde. So, wie man sich das eben vorstellt: Mit Namensschild, sicher ist sicher.
Man könnte jetzt sagen, dass ich das alles auch alleine hätte schaffen müssen. Aber: Musste ich auch. Denn meinen kürzlich errungenen Kontakt nach Kolumbien sollte ich während meiner ganzen Reise nicht treffen. Doch der Reihe nach.
Ich war noch niemals in New York
Tatsächlich hatte ich Europa bis zum Morgen des 25.02.2009 niemals verlassen. Außerdem war es mein erster Flug mit einem Flugzeug, das man nicht mit einer Cessna verwechseln würde. Mein Flug ging mit Lufthansa von Frankfurt a.M. nach New York (JFK) und von dort gegen 16 Uhr Ortszeit mit Delta Airlines nach Bogotá - Kolumbien, wo ich gegen 23:00 eintreffen sollte.
Beim Flug hatte ich Glück: Kein Druck auf den Ohren, keine Verspätungen, keine Terroristen. In letzter Instanz wollte ich mein Spanisch doch noch mal testen: Bei Filmen. Also startete ich einen dieser Blockbuster auf Spanisch, in der Hoffnung der Handlung folgen zu können. Das Ergebnis war gelinde gesagt fatal. Mein Selbstbewusstsein schwand von Minute zu Minute mehr. Schließlich schaltete ich einfach aus.
Später am Tag grub ich das Phrasenbuch aus dem Rucksack aus. Ein Geschenk meiner Eltern, das sie in letzter Minute und weiser Voraussicht im Flughafen ergattert hatten. Nachdem selbst das Übersetzen der einfachsten Sätze fehlschlug, glaubte ich fest an ein Komplott und dass die Kolumbianer wahrscheinlich sogar deutsch sprechen würden. Okay nein, das habe ich nicht wirklich geglaubt.
Die Landung und das umchecken in der US-Metropole ging problemlos vonstatten. Die von Vielen angekündigten Verspätungen und Komplikationen blieben vollständig aus. Interessant: Die Sicherheitskontrollen in Frankfurt waren um ein Vielfaches höher und strikter als in den USA. Von New York selbst habe ich natürlich überhaupt nichts gesehen. Der Flughafen John F. Kennedy liegt einigermaßen außerhalb und da ich nur drei Stunden Aufenthalt hatte, konnte ich nicht in die Stadt fahren. Nicht einmal die Skyline kann man vom Flughafen aus sehen. Pech gehabt also.
Kolumbien bei Nacht
Schon in der Wartehalle löste sich meine Theorie der Sprachverschwörung in Luft auf. Offenkundig sprachen alle Anwesenden einen Kauderwelsch, der sich mir nur aufgrund der Aussprache als Spanisch erschloss. Mit leichter Verspätung von 15 Minuten ging es dann um 16:15 von New York in Richtung Bogotá. Das war dann wohl auch der Moment, bei dem das Kribbeln so langsam anfing. Die rund 200 Sitze teilten wir uns zu knapp 30 Personen - Kolumbien offensichtlich ein begehrtes Reiseziel.
Als wirklich spektakulär erwies sich ein Gewitter, das nach Einbruch der Dunkelheit in einiger Entfernung und ein paar Kilometer unter uns zu sehen war. Einen Anblick, der sich einem nicht oft bietet und den ich leider mit meiner Kamera nicht einfangen konnte.
Jeder der mal geflogen ist, kennt diese Positionsanzeigen. Dort wird ein Flugzeug auf der Landkarte eingezeichnet, um über Position und bisherige Fluglinie zu informieren. Als plötzlich unter uns ein orangenes Lichtermeer aufleuchtete, öffnete ich hektisch die Positionsanzeige in der Hoffnung, es möge Kuba oder Jamaika sein. Doch ich sollte mich irren und meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich. Wir überflogen Cartagena, eine sagenumwogene kolumbianische Hafenstadt. Binnen Sekunden schwand meine Begeisterung für das geplante Abenteuer. Das Bauchkribbeln wandelte sich in Halbpanik. Klopfen mit dem Finger auf den Klapptisch. Ich versuchte die Gedanken zu verdrängen.
Zum Glück riss der Lichterteppich wieder ab und lange Zeit sah man einfach gar nichts mehr. Dann erneut Lichter am Boden und dann eine Durchsage, die ich weder auf Spanisch, noch auf Englisch verstand. In dem Moment war ich einfach nur froh, dass Marthas Schwester auf mich warten würde ...
Wo ist Walter Marthas Schwester?
Irgendwann war die Landung vorbei und ich stotterte mich durch den Zoll. Kein Wort Englisch möglich, von niemandem. Dafür redete die Beamte des D.A.S. - dem kolumbianischen Geheimdienst - fast schon beschwörend auf mich ein. Nachdem ich meinen Eingangsstempel unter unverständlichen Konditionen erhalten hatte, musste ich erst einmal meine Dollars gegen Kolumbianische Pesos tauschen.
Der Flughafen in Bogotá ist übersichtlich und so konnte ich schon einen Blick nach draußen werfen. Nirgends ein Schild mit meinem Namen. Dafür überall Blaulicht, Sirene und Spürhunde. Ja, so oder so ähnlich hatte ich mir das vorgestellt. Aber: Wo war Marthas Schwester? Gut, erstmal Geld holen, dann schauen.
Marthas Schwester kam nicht und irgendwann beschloss ich ein Taxi zu nehmen. Ein Unterfangen, von dem einem grundsätzlich abgeraten wird, vor allem um die Zeit. Man muss aber dazu sagen, dass es am Flughafen ein Sicherheitssystem gibt, wo die autorisierten Taxifahrer Tickets ausfüllen müssen. Ich hab mich also wenigstens ein bisschen sicher gefühlt. Bis wir dann losgefahren sind.
Die Fahrt geht in Richtung Calle 16 zum Platypus Hostal. Der Fahrer kennt das Hostal, also kein Problem. Es ist ein unglaubliches Gefühl, überall stehen von orangenen Laternen erleuchtete Palmen. Grüne Schilder weisen den Weg durch ein unglaublich großes Labyrinth von Straßen. Die Fahrt dauert 20 Minuten, wir überfahren alle roten Ampeln und haben beinahe auch einen Passanten auf der Haube. Einstand nach Maß, so scheint das hier zu sein.
Wir kommen endlich im Platypus an und ich werde trotz später Stunde freundlich empfangen. Man zeigt mir sofort das Zimmer. Dort finden sich sechs rustikale Betten, aus denen leichte Schnarchgeräusche zu vernehmen sind. Das Bauwerk hat offensichtlich die Jahrzente überdauert. Der Boden ist alt und knarrt. Ich packe meinen Rucksack in die Ecke, lege mich aufs Bett und ziehe mir die Decke über. Ich liege noch ein bisschen wach um die Situation irgendwie zu erfassen. Das Gefühl in der fremden Welt angekommen zu sein bleibt aber unbeschreiblich. Und so beginnt die Reise mit einer unvergesslichen ersten Nacht.