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1: Intro
2: Ausrüstung
3: Land
4: Abreise
5: Bogota I
6: Cartagena
7: Santa Marta & Taganga
8: Bogota II

Was heißt noch mal ...

... Brötchen? Wobei: Das ist ja gar kein Brötchen, es sieht nur so ähnlich aus. So langsam muss ich wirklich mal was essen. Aber was muss man da sagen? Ich will nicht einfach drauf zeigen.

Das Leben der anderen

Der erste Weg führt mich zu einer allerersten Orientierung einfach in die Stadt. Ich weiß nicht in welche Richtung ich gehe und was ich suche. Einfach mal was sehen und sich hoffentlich nicht verlaufen. Zugegebenermaßen wurde ich vom Hunger vor die Tür getrieben. Also bin ich auch auf der Suche nach etwas Essbarem. Davon gibt es hier wirklich mehr als genug. Aber so schlecht wie ich die Sprache spreche, ist es eine echte Hemmung etwas zu kaufen. Irgendwann wird der Hunger schon stark genug werden.

Als Ausländer muss ich mich sehr schnell daran gewöhnen, von Bettlern und Händlern aller Art angesprochen zu werden. Ein paar Mal auch von Kindern, die etwas von kranken Verwandten erzählen und denen die Tränen in den Augen stehen. Kaum geht man weiter und dreht sich noch mal um, trollt sich das gleiche Kind vergnügt in eine andere Richtung. Ich hatte schon vorher zu viele Geschichten gehört, als dass ich auf der Straße Geld geben würde. Trotzdem - oder gerade deshalb - tun sie mir Leid.

Der erste Kontakt

Nach kurzer Zeit werde ich von einem jungen Einheimischen angesprochen. Ich verstehe nur ständig "Hospital", also nehme ich an, dass er ein Krankenhaus sucht. Da er kein Englisch spricht, kommen wir zu keiner einfachen Lösung. Ich packe meinen Lonley Planet Colombia aus und suche nach der Einrichtung. Wir finden sie nicht, was auch nicht weiter verwunderlich ist. Wie sich später herausstellt, handelt es sich um ein akademisches Seminar.

Ich habe den Reiseführer schon wieder eingepackt und eine neue Richtung eingeschlagen, als er mich einholt. Er redet irgend etwas auf mich ein, was ich nicht verstehe. Ich habe schnell das Phrasenbuch bei der Hand und versuche ihm in aller Not die Situation zu erklären. Meine Versuche treffen auf amüsiertes Interesse. Irgendwie versuchen wir mit Händen und Füßen zu kommunizieren. Wohin das eigentlich führen soll weiß wohl keiner so recht. Ich höre raus, dass er einen Freund besuchen möchte, ich glaube weil der Geburtstag hat. Dann tauschen wir auch unsere Geburtstage aus. Es stellt sich raus, dass mein Begleiter ebenfalls 23 ist. Seinen Namen kenne ich noch nicht, oder habe nicht verstanden, dass er ihn mir gesagt hat.

Schließlich kommen wir bei dem "Hospital" an, das mich mehr an eine kleine Festung erinnert. Ich packe die Gelegenheit beim Schopf und frage ihn (mithilfe des Phrasenbuches) ob wir uns nicht noch einmal treffen können. Bis ich mein Anliegen tatsächlich verständlich gemacht habe, vergehen noch einige Minuten. Dann ist er aber ganz aufgeschlossen und schreibt mir auf einem Zettel seinen Namen und die Telefonnummer auf. Meyer - wie ich jetzt weiß - und ich werden uns also am nächsten Tag vor dem Juan Valdez Cafe in der Candelaria treffen. Gegen meinen Hunger schenkt er mir sein Mittagessen: Einen kleinen Kuchen und eine Grenadine.

La Candelaria

Bogotá besteht im Wesentlichen aus vier Stadteilen: dem Norden, dem Zentrum, der Mitte und dem Süden. Die Candelaria ist einer davon, genauer gesagt die Altstadt und das Zentrum. Auf Spanisch heißt das "Centro Histórico". In diesem Stadtteil liegt auch mein Hostal. Hier gibt es viele interessante Bauwerke und Parks. Außerdem hat die Candelaria das unschlagbar höchste Verkehrsaufkommen in ganz Bogotá. Diese zweifelhafte Auszeichnung bringt eine riesige Smogwolke mit sich, die regelmäßig über der Stadt liegt.

Auffallend - wenn nicht beeindruckend - ist hier auch das Aufgebot der Polizei. Auf jeder größeren und auch auf den meisten kleineren Kreuzungen finden sich mindestens ein, oft aber auch drei oder vier Polizisten. Die kakifarbene Uniform und die schwarzen Lackschuhe haben ihren ganz eigenen Charme. Genauso das Maschinengewehr, das jeder zweite von Ihnen unter dem Arm hat. Als feiger Zivi habe ich noch nie eine echte Waffe aus so knapper Entfernung gesehen. Bei jeder Passkontrolle habe ich Angst, dass sich bei dem jungen Soldaten gleich ein Schuss löst und mir einen Zeh weg schießt. Glücklicherweise bleibt meine Angst unbegründet.

Der Smog über dem historischen Zentrum ist unglaublich, aber nicht nur der Smog. Überall stinkt es, sei es nach Abgasen, nach Abfällen oder nach Urin. Letzteres wundert nicht, da nicht nur die Hunde, sondern auch Menschen ihr Geschäft mitten auf der Straße verrichten. Es ist schlicht mitleiderregend, Menschen und zahllose Hunde in den Müllhaufen auf der Straße nach Essbarem suchen zu sehen. Die Szenerie erinnert mich an die Heimat von Frisco Kid alias Wolf Larsen (der Seewolf) in der nur die stärksten überleben können.

Meyer treffen

Um 11 treffe ich Meyer vor der Banco Republica. Ich habe in der Zwischenzeit wenigstens ein paar Wörter gelernt. So entschuldige ich mich als erstes für mein schlechtes Spanisch vom Vortag. Die Entschuldigung stößt auf Unverständnis und dann ein breites, einladendes Lachen. Eigentlich hat Meyer nur drei Stunden Zeit, bis er in die Uni muss. Tatsächlich verbringen wir sechs Stunden zusammen.

Das Treffen ist sehr anstrengend, weil ich nur sehr wenig verstehe und auch selbst nicht viel sagen kann. Das Problem sind schlicht die Vokabeln. Daher hilft es auch nicht viel, wenn er langsamer spricht. Wir reden - oder versuchen es - über alles was uns so einfällt. Aber er erklärt mir einige Wörter und so geht es voran. Ständig muss er alles wiederholen und langsam sprechen. Daher stellt es sich auch für ihn als derart anstrengend heraus, dass er an dem Tag nicht mehr in die Uni kann. Aber es scheint für ihn ebenso interessant zu sein wie für mich. Wir essen Crepes, ich mit Ei und Hackfleisch, er mit Garnelen. Dazu Limonade für ihn und Coke für mich. Limonade ist hier wörtlich zu verstehen und ist quasi Limettensaft, gesüßt. Ich probiere einmal - delikat, auch meine nächste Wahl.

Tatsächlich verabreden wir uns für ein weiteres Treffen, nicht zuletzt auf seinen Wunsch hin. Vor dem nächsten Treffen habe ich aber einen Tag "Pause". Obwohl es erst Nachmittag ist, haben mir die sechs Stunden Sprachkurs derart zugesetzt, dass ich sofort im Hostal schlafen gehe.

Lerntag - Be your drill instructor

Nachdem ich etwa 13 Stunden geschlafen habe, stehe ich um sechs Uhr morgens auf. Dazu muss man sagen, dass die normale Zeit zum Aufstehen in Äquatornähe zwischen sechs und sieben Uhr liegt. Hier setzt das öffentliche Leben schon voll ein. Man gewöhnt sich wegen der konstanten Tag- und Nachtphasen sehr schnell daran. Noch kurz vor dem Schlafengehen hatte ich mir allerlei Wörter notiert, die ich sagen wollte und nicht kannte. Außerdem Wörter, die Meyer oft benutzte und ich nicht verstand. Die Liste zählt etwa 130 Wörter, viel Arbeit für einen Tag. Im Hostal gibt es ein Wörterbuch von Spanisch zu Englisch und umgekehrt. Tatsächlich verbringe ich den ganzen Tag damit, die Wörter auf meiner Liste zu lernen.

Nur Mittags traue ich mich einmal aus dem Hostal und suche die im Lonley Planet abgedruckten Restaurants. Diese Szene - ohne Zweifel eine der traurigeren meiner Reise - endet damit, dass all diese Restaurant geschlossen haben oder nicht mehr existieren. Dann entschließe ich mich zu der einzig vernünftigen Lösung: Einfach irgendeinen Imbiss aufsuchen. Der Camarero versteht mich nicht so richtig, ich ihn dafür aber überhaupt nicht. Irgendwie landet nachher trotzdem ein komplettes Hühnchen mit Fritten und Salat auf meinem Teller. Kleiner Einschub zur Entstehung des Tellers: Der Mann holte wirklich ein rohes Huhn aus dem Kühlschrank, sah so aus wie in der Kühltheke im Supermarkt. Er hat es dann professionell aufgeschnitten, auf dem Grill ausgebreitet und regelmäßig mit einer Soße bestrichen. Nach 10 Minuten war das mit Abstand leckerste Huhn meines Lebens fertig zum Vertilgen.

Den ganzen restlichen Tag verbringe ich mit dem Lernen der Vokabeln. Ich glaube, dass ich am Schluss wirklich über 100 der Vokabeln konnte.

Sprachen verbinden

Vielen Leuten muss dieser Slogan Langenscheidts wie ein Hohn vorkommen. Den Erfinder sollte man vielleicht einmal in einem Indianerdorf einsperren. Ich bin sicher, dass er binnen kürzester Zeit zur Einsicht kommen würde, denn zunächst einmal gilt: Sprachen trennen. Damit uns nun eine Sprache wirklich verbindet, muss also einer von uns erhebliche Anstrengungen auf sich nehmen. Dann aber gilt tatsächlich: Sprachen verbinden. Auch für mich wird sich das noch zeigen.

In Kolumbien sind nach Eigenaussage 90% der Bewohner katholisch. Ich habe oft einen Blick in die Kirchen geworfen und die Quote mag realistisch sein. Selbst die Süd-Trinüne des BVB möchte da vor Neid blass werden. Allerdings geht Meyer um neun Uhr in die Messe, also kein Problem für unseren Termin.

Um 11 Uhr beginnt die kolumbianische Tradition. Während der ersten zehn Minuten Verspätung denke ich mir noch nichts. Die Uhren in Kolumbien ticken einfach anders. Ich sage mir, dass ich eine halbe Stunde warten kann, aber tatsächlich kommt er schon nach einer Viertelstunde. Das gilt hier in Äquatornähe noch als pünktlich. Sofort zeige ich ihm die Vokabeln, die ich gelernt habe. Natürlich will er mich abfragen und zu meiner Erleichterung enttäusche ich ihn nicht. Er zeigt sich begeistert und ich sehe: Sprachen verbinden. Es geht gar nicht darum perfekt zu sprechen, sondern sich zu bemühen. Mal ehrlich: Meine Reise wäre so nie möglich gewesen, wenn ich perfekt spanisch gesprochen hätte. Über manche Probleme und Hindernisse muss man vielleicht sogar dankbar sein.

Das erste und scheinbar wichtigste Wort war "tranquilo", was soviel wie "ruhig" oder "gelassen" bedeutet. Das Wort benutze ich ständig, es wird geradezu zu meinem Favoriten. Ich konnte die Bedeutung bei seinen Erklärungsversuchen am Freitag erahnen, habe ich mich dann aber doch lieber auf das Wörterbuch verlassen. Übrigens gehörte ich auch zu den Leuten, die meinen, dass man als erstes die Schimpfwörter einer Sprache lernt. Mittlerweile denke ich das nicht mehr, denn bis heute kenne ich eigentlich nur ein einziges Schimpfwort auf Spanisch, das ich auch schon vorher kannte und auf dessen Erläuterung ich hier verzichte.

Unglaublich aber wahr: Im Gegensatz zum ersten Treffen können wir uns unterhalten. Natürlich spreche ich noch auf einem extrem niedrigen Niveau und benutze nur drei Zeitformen. Für die Insider: Präsens, Perfekt für Vergangenheit und Futur durch ir + Infinitiv. Unglücklicherweise lerne ich später, dass die Lateinamerikaner fast kein Perfekt benutzen und oft auch nicht verstehen, da es sie verwirrt. Meyer stört das überhaupt nicht. Er ist ja auch Akademiker, studiert Philosophie. Ich glaube er kennt mehr deutsche Philosophen als ich selbst.

Ich lade Meyer zum Mexikaner ein, wobei ich auch etwas über seine Reiseträume erfahre. Ich frage ihn nach seinem Traumreiseziel, wenn er unter allen Ländern der Erde wählen dürfte. Die Antwort fällt ihm leicht: Mexiko. Eine Antwort wie ich sie noch häufig von Lateinamerikanern hören werde. Die USA und Europa reizt zumindest noch einige. Nach Asien, Afrika oder Australien möchte jedoch augenscheinlich niemand.

Auch an diesem Tag verbringen wir sechs Stunden miteinander. Wir besuchen das Geld-Museum, aber ich beschließe erst wieder ein Museum zu betreten, wenn ich ordentlich Spanisch kann. Es ist mein vorletzter Tag in Bogotá. Im Hostal habe ich zwei US-Amerikaner aus Seattle kennengelernt. Wir wollen zusammen nach Cartagena an die Karibikküste fahren. Also heißt es Abschied nehmen, aber wir haben ja unsere Adressen und ich versichere Meyer, dass ich wiederkomme. Vor meiner Abreise nach Ecuador fahre ich also noch mal in die ganz andere Richtung um eine Woche die Nordküste Kolumbiens zu genießen.

Das tropische Flair lässt nicht auf sich warten.
So viele Busse, steigt da einer durch? Zumindest steigen Viele ein und aus.
Erfurchteinflößend erhebt sich der Monserate an der Stadtgrenze.
Abends waschen hier Taxifahrer ihre Autos. Für andere ist es Trinkwasser.
Pauken auch im Urlaub. Der Füller hat es übrigens nicht wieder nach Hause geschafft.
Quaderig, praktisch, gut. Wenn auch rustikal, es erfüllt seinen Zweck.
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